Ein Gastartikel von Tobias Mittrach und Jan Gerd Möller von PwC Legal

Bis vor zwei Jahren war es Konsens, dass Formelle Meetings als Präsenzveranstaltungen abgehalten wurden. Das hatte verschiedene kulturelle und rechtliche Gründe – unter anderem gab es keine eindeutige rechtliche Grundlage für Formelle Online Meetings (FOMs).

Mit dem Gesetz zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht („Covid-19-Gesetz“) hat sich das geändert. Es schuf die rechtliche Grundlage für die Durchführung von FOMs wie Sitzungen und Versammlungen auch ohne gesonderte Satzungsermächtigung oder Geschäftsordnung. Die Sonderregelungen wurden bis zum 31. August 2022 verlängert. Dadurch konnten Unternehmen und Behörden ausreichend Erfahrungen mit FOMs sammeln und lernten die Vorteile digitaler Formate zu schätzen.

Grundsätzlich darf Gremienarbeit auch nach Ablauf des COVID-19-Gesetzes weiterhin digital stattfinden. Um rechtlich auf der sicheren Seite zu sein, empfehlen wir jedoch, die Satzungen entsprechend anzupassen. Besonders wichtig ist das für die Gremienarbeit in Aufsichtsratsgremien, denn hier gelten besondere Vorschriften.

Rechtliche Anforderungen digitaler Aufsichtsratssitzungen

Widerspruchsrecht
Grundsätzlich bestimmt der Aufsichtsratsvorsitzende die Form der Durchführung der Sitzungen. Aufsichtsratsvorsitzende müssen vor jeder Sitzung prüfen, ob eine Präsenzsitzung für die jeweilige Sitzung nicht opportun wäre.

Der Gesetzgeber räumt den Aufsichtsratsmitgliedern außerdem ein Widerspruchsrecht ein. Das heißt, wenn nur ein einziges Aufsichtsratsmitglied dem digitalen Format widerspricht, muss die Sitzung als Präsenzveranstaltung abgehalten werden.

Nach herrschender Meinung kann dieses Widerspruchsrecht jedoch durch die Satzung ausgeschlossen werden. Wir empfehlen deshalb, die Satzung entsprechend anzupassen, um Rechtssicherheit für digitale Aufsichtsratssitzungen zu schaffen.

Abstimmungen und Wahlen
Laut Beschluss des OLG Frankfurt sind Abstimmungen per Email grundsätzlich zulässig. Das Problem ist jedoch, dass eine einfache Email keine Gewähr für die Identität des Absenders oder dessen Authentizität bietet.

Wir empfehlen deshalb, in der Satzung die Verwendung qualifizierter digitaler Signaturen vorzuschreiben. Eine Software-Lösung für Formelle Online Meetings sollte ebenfalls qualifizierte digitale Signaturen unterstützen.

Software und Technik
Der Aufsichtsratsvorsitzende ist in Abstimmung mit der Geschäftsführung und dem Vorstand für die Schaffung der technischen Voraussetzungen verantwortlich. Dazu gehört auch die Gewährleistung von Datenschutz und Vertraulichkeit.

Geheime Abstimmungen
Die Durchführung von geheimen Abstimmungen muss auch bei digitalen und hybriden Formaten gewährleistet sein. Wir empfehlen daher, bei der Auswahl der Software auf diese Eigenschaft zu achten.

Sitzungsgeld
Das ist umstritten und sollte daher auch in der Satzung geregelt werden. Generell wird der Term „Sitzung“ als generischer Oberbegriff für alle Sitzungsformen verwendet. Der Gleichbehandlungsgrundsatz zwischen den Aufsichtsratsmitgliedern ist weiterhin zu beachten.

Governance-Erfordernisse
Neben den rechtlichen Vorschriften müssen FOM-Veranstalter auch Governance-Richtlinien beachten. Governance bezeichnet den Ordnungsrahmen für die Leitung und Überwachung eines Unternehmens. Dieser geht zwar Hand in Hand mit den rechtlichen Anforderungen, hat aber einen anderen Fokus.

Aktuell durchläuft die Governance einen Wandel: Einerseits werden neue gesetzliche Regelungen geschaffen – zum Beispiel im Hinblick auf digitale Meeting-Formate – andererseits gibt es auch neue Anforderungen des Marktes.

Auch die Governance-Anforderungen an Aufsichtsräte sind heute strenger. Während Aufsichtsratssitzungen früher zum Teil eher Diskussionsrunden waren, achtet man heute stärker darauf, dass Aufsichtsräte ihrer Überwachungsfunktion gerecht werden – und ihr auch gerecht werden können.

Der Trend geht hin zu strengeren Governance-Richtlinien, beispielsweise hinsichtlich Nachhaltigkeit oder Datenschutz. Die FOM-Software muss diesem Trend gerecht werden. So muss die Software beispielsweise gewährleisten, dass Geschäftsgeheimnisse geschützt werden. Das erfordert gewisse technische Voraussetzungen wie DSGVO-konforme Datenspeicherung und Tools für geheime Abstimmungen.

Neben den technischen Voraussetzungen müssen Mitarbeiter auch in ihrem Verhalten geschult werden. In einem nicht-öffentlichen FOM darf beispielsweise kein Dritter im Hintergrund mithören.

Unsere Empfehlung
Unsere generelle Empfehlung ist, all die hier aufgelisteten Feinheiten in der Satzung und Geschäftsführung zu regeln, um somit Rechtssicherheit zu schaffen.

Dabei empfehlen wir eine klare Abgrenzung von Abstimmungen in Sitzungen, per Umlaufverfahren und außerhalb von Sitzungen zur Vermeidung von Anfechtungs- und Nichtigkeitsrisiken bei Beschlussfassungen.

Außerdem ist die Standardisierung dieser Prozesse von Bedeutung. Unternehmen sollten bereits jetzt Systeme etablieren, die sie aus rechtlicher und technische Sicht über Jahre hinweg nutzen können.